LEBENSGERECHT

Für Arbeitszeiten, die zum Leben passen.

Unser Leitbild ist eine moderne Arbeitszeitgestaltung, die viele verschiedene Bedürfnisse unter einen Hut bringt. Arbeitszeiten müssen so gestaltet sein, dass sie zu der konkreten Lebenssituation der Beschäftigten passen. Nicht jedes Arbeitszeitmodell passt für jede und jeden, aber für jede und jeden muss es passende Arbeitszeiten geben!

Unsere Top Forderungen

1. Geleistete Arbeit muss vollständig erfasst und vergütet werden!

Dieser Grundsatz muss zur gelebten Praxis werden. Gerade mit Blick auf neue Formen der Arbeit, wie Homeoffice und mobiles Arbeiten ist dies eine Herausforderung. Sie ist jedoch zu meistern. Genauso ist es machbar, Vertrauensarbeitszeit weiterhin zu ermöglichen.  Was jetzt nötig ist, ist eine verlässliche Regelung, um der Entgrenzung von Arbeit entgegenzuwirken. Am besten, indem das Arbeitsschutzgesetz entsprechend präzisiert wird.

2. Tarifverträge innovativ gestalten!

Die rechtlichen Rahmenbedingungen ermöglichen bereits jetzt eine Vielzahl von Gestaltungsmöglichkeiten der Arbeitszeit.

Betriebsräte haben innovative Betriebsvereinbarungen ausgehandelt, wie Schichtmodelle gesundheitsverträglich ausgestaltet werden können oder wie sich Beschäftigte längere Auszeiten oder frühere Renteneintritte erarbeiten können. Weitere Beispiel sind Langzeitarbeitskonten, Weiterbildungszeiten oder die Berücksichtigung ehrenamtlicher Tätigkeiten bei der Arbeitszeit. Es gilt, diese Ansätze weiterzuentwickeln.

3. Ein Bekenntnis zu guter Arbeit!

Von den Arbeitgebern erwarten wir ein Bekenntnis zu Guter Arbeit: mit Tarifverträgen, die die Arbeitszeitsouveränität der Beschäftigten fördern und die Balance zwischen Leben und Arbeiten verbessern: für den Auszubildenden genauso wie für den Facharbeiter, der kurz vor der Rente steht. Für junge Eltern genauso wie für Beschäftigte, sie sich um ihre alten Eltern kümmern wollen. Um Belastungen zu reduzieren, braucht es etwa in der Pflege Mindestpersonalbemessungen. Diese lassen sich genauso in Tarifverträgen festschreiben wie Ansprüche auf Weiterbildung und Qualifizierung.

Damit die Vorteile von Tarifverträgen auch bei den Beschäftigten ankommen, braucht es aktive Mitbestimmungsgremien: Betriebs- und Personalräte, die bei Arbeitszeitvereinbarungen, Vereinbarungen zu mobilem Arbeiten und Arbeitszeitkonten die Interessen der Beschäftigten verdeutlichen. Mitbestimmung sorgt dafür, dass Rechte auf dem Papier auch Wirklichkeit werden.

4. Hände weg vom Arbeitszeitgesetz!

Der Ruf der Arbeitgeberverbände und unternehmensnaher Parteien nach einer Schleifung des Arbeitszeitgesetzes läuft ins Leere. Denn innerhalb des gesetzlichen Rahmens gibt es jede Menge Spielräume für flexible Gestaltungen. Und der Rahmen dient dem Gesundheitsschutz der Beschäftigten.

Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass mit zunehmender Arbeitsdauer die Leistungsfähigkeit deutlich abnimmt und sich die Gefahr von Arbeitsunfällen deutlich erhöht. Diese Risiken gehen vollständig zu Lasten der Beschäftigten. Und die Sozialkassen würden durch eine höhere Zahl an gesundheitsbedingten Ausfällen und früheren Renteneintritten zusätzlich belastet werden.

Daher ist für den DGB klar: Hände weg vom Arbeitszeitgesetz. Die aktuellen Regelungen geben den Betrieben ausreichend Spielräume. Und sie werden Belangen der Beschäftigten gerecht.

5. Vereinbarkeit verbessern!

Als Argument für die Vier-Tage-Woche wird häufig eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf angeführt. Sorgearbeit kann fairer verteilt werden, wenn beide Partner längere Zeiten am Stück frei haben. Dennoch muss dieses Mehr an freier Zeit finanzierbar sein. Und es braucht flächendeckende Betreuungsangebote für Kleinkinder wie für Schülerinnen und Schüler.

Perspektivisch werden sich die Lücken bei Bildungs- und Betreuungsangeboten eher noch vergrößern. Denn der Fachkräftemangel in den Kitas, Schulen und Horten wird sich weiter verschärfen. Baden-Württemberg will nun das Recht auf Teilzeit für Lehrkräfte einschränken. Vom übernächsten Schuljahr an sollen Lehrkräfte nur noch mit besonderer Begründung weniger als 75 Prozent arbeiten dürfen. Die Arbeitszeitsouveränität von Lehrer*innen wird eingeschränkt, um den Fachkräftemangel zu lindern – anstatt die Ausbildungskapazitäten zu erweitern und den Beruf für Grundschullehrerinnen durch eine bessere Bezahlung attraktiver zu machen.

6. Keinen Bock auf Arbeit? Oder angemessene Erwartungen an den Arbeitsmarkt?

Polemik über die angebliche Unlust (junger) Menschen zu arbeiten kommt in immer neuen Gewändern daher. In Wahrheit dürfte sie so alt sein wie die Erwerbsgesellschaft selbst. Schon Helmut Kohl hatte vom „kollektiven Freizeitpark Deutschland“ geschwafelt. Der BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter forderte jüngst „Mehr Bock auf Arbeit“ und mehr Leistung in der Schule. Polemik hilft aber kein bisschen weiter.

Was zählt ist: Was wollen junge Menschen wirklich? Das wissen sie selbst am besten. Es geht nicht mehr nur um Karriere und Status, sondern um Sinnhaftigkeit der Arbeit und Gestaltungsmöglichkeiten des eigenen Lebens. Dazu braucht es einen festen Rahmen, der Sicherheit gibt. All diese Anforderungen können die bestehenden Schutzgesetze und Tarifverträge leisten. Eine Reduktion des Arbeitszeitvolumens, flexible Arbeitszeitgestaltung, Rahmenbedingungen auch für neuere Arbeitsformen, wie Homeoffice oder Mobile Arbeit und ein sicherer Schutz vor Selbstausbeutung.

Meine Zeit, mein Leben.

Ist eine Vier-Tage-Woche als neue Vollzeit realistisch? Gar mit vollem Lohnausgleich? Diese Frage wird gegenwärtig heiß diskutiert. Beispiele aus Belgien und Großbritannien sowie der Vorstoß der IG Metall, in der Stahlindustrie die Vier-Tage-Woche einzuführen, befeuern die Diskussion. Fakt ist: Viele Arbeitnehmer*innen wünschen sich kürzere Arbeitszeiten und mehr Entscheidungsfreiheit, wann sie arbeiten. Eine Vier-Tage-Woche mit vollem Lohnausgleich wäre für 63 Prozent der Beschäftigten die Idealvorstellung, 14 Prozent wären sogar bereit, für einen freien Tag in der Woche auf Einkommen zu verzichten (Repräsentative Umfrage von YouGov).

Während die Arbeitgeberverbände nach längeren Arbeitstagen und einem späteren Renteneintritt rufen, tauchen in Talkshows einzelne Unternehmensvertreter auf, die mit mehr freien Tagen werben. Gerade in Branchen, in denen besonders viele Arbeitskräfte fehlen, etwa in Teilen des Handwerks, sollen mit attraktiven Arbeitszeitmodellen Fachkräfte gewonnen werden.

Diese zeigt: Die Diskussion um Arbeitszeiten gewinnt an Fahrt. Als DGB Baden-Württemberg mischen wir uns in die Debatte ein.

Gewerkschaften setzen Standards

Seit ihrer Gründung beschäftigt die Arbeitszeit die Gewerkschaftsbewegung. Wesentliche Meilensteine wie der Acht-Stunden-Tag, der arbeitsfreie Samstag und die 35-Stunden-Woche waren Ergebnis langer Auseinandersetzungen in der Gesellschaft und in den Betrieben.

Jüngst haben Forderungen nach Arbeitszeitverkürzung oder Wahlmodelle zwischen Zeit und Geld in vielen Tarifrunden eine zentrale Rolle gespielt. Arbeitszeitverkürzung gehört fest zum gewerkschaftlichen Forderungskatalog. Die damalige IG Druck und Papier und die IG Metall hatten in den 70er und 80erJahren mit dem Slogan „Mehr Zeit zum Leben, Lieben, Lachen“ für die 35-Stunden-Woche geworben. Genauso wie damals, als die Massenarbeitslosigkeit eingedämmt werden sollte, geht es heute in der Arbeitszeitdebatte nicht nur um individuelle, sondern auch um gesellschaftspolitische Ziele. Es geht um die gleichberechtigte Teilhabe von Männern und Frauen sowie jungen und älteren Menschen am Arbeitsleben. Kindererziehung, Pflegearbeit, ehrenamtliches Engagement, Möglichkeiten zur Weiterbildung und Qualifizierung: all dies soll mit passgenauen Arbeitszeitmodellen ermöglicht werden.

Deshalb brauchen wir einen Kulturwandel in der Arbeitszeitpolitik. Die Richtung lautet: kürzer und selbstbestimmter anstatt immer länger und mit immer höherer Schlagzahl. Denn eine zu hohe Arbeitsbelastung kann krank machen. Arbeitsausfälle wegen psychischer Erkrankungen haben in den vergangenen zehn Jahren um mehr als vierzig Prozent zugenommen.

Wie sich an der von den Arbeitgeberverbänden mit harten Bandagen geführten Arbeitszeitdebatte zeigt: Die Arbeitszeitfrage ist eindeutig auch eine Machtfrage. Je mehr Rechte und Mitspracherechte die Beschäftigten erhalten, desto stärker die Machtverschiebung weg vom alleinig bestimmenden Interesse der Arbeitgeber*innen.

Wer arbeitet heute wie lange?

Je nachdem, welche Statistiken oder Umfrage man heranzieht, ergibt sich ein anderes Bild. Festgehalten werden kann: Die gewünschten Arbeitszeiten sind kürzer als die vertraglich vereinbarten, die tatsächlich geleisteten hingegen länger als die vertraglich vereinbarten Zeiten.

Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) kommt auf Grundlage einer empirischen Befragung zu folgendem Ergebnis: Vollzeitbeschäftigte haben eine durchschnittliche tatsächliche Arbeitszeit von 43,0 Stunden pro Woche und arbeiten damit durchschnittlich 4,3 Stunden mehr als vertraglich vereinbart.

Nach Angaben des statistischen Landesamtes beträgt die bezahlte Wochenarbeitszeit von vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer*innen in Baden-Württemberg im Schnitt 38,1 Stunden.

Alles andere als klein ist die Gruppe der Vielarbeiter: Fast 1,9 der 5,3 Millionen abhängig Beschäftigten kommen auf eine Wochenarbeitszeit von 40 und mehr Stunden. Drei Viertel von ihnen sind männlich.

Frauenerwerbstätigkeit ist weiterhin stark von Teilzeit geprägt. So arbeitet gut die Hälfte der erwerbstätigen Frauen in Teilzeit (50,5  Prozent). Entsprechend ergibt sich bei Frauen eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von lediglich 24,2 Stunden.

Schlechte Rahmenbedingungen wie fehlende Kinderbetreuung und eine ungleiche Verteilung der nicht bezahlten Arbeit innerhalb von Familien führen dazu, dass Frauen ihre Potenziale auf dem Arbeitsmarkt vielfach nicht so ausschöpfen können, wie sie es möchten.

Kürzere Arbeitszeiten mit Tarifvertrag

Tarifverträge bedeuten nicht nur deutlich mehr Lohn, sondern auch kürzere Arbeitszeiten. Deshalb ist es so bedenklich, dass die Tarifbindung in den vergangenen Jahren immer weiter gesunken ist. Im Südwesten profitiert nur noch jede/-r zweite Beschäftigte von einem Tarifvertrag.

Beschäftigte in tariflosen Unternehmen müssen regulär 87 Minuten pro Woche länger arbeiten als ihre Kolleg*innen mit Tarifvertrag. Über das Jahr gesehen bedeutet das mehr als eine zusätzliche Arbeitswoche. Dieser Unterschied ist in Baden-Württemberg so hoch wie in keinem anderen Bundesland.

Arbeitsverdichtung und Überlastung haben Folgen

Arbeitsverdichtung und Überlastung sind Themen, die in den vergangenen Jahren eine immer wichtigere Rolle spielen. Die Dynamik in der Arbeitswelt wird immer schneller. Es ist daher kaum verwunderlich, dass viele Beschäftigte sich überlastet und gehetzt fühlen. Sie schaffen es nicht mehr, die geforderte Arbeit in der zur Verfügung stehenden Arbeitszeit zu bewältigen (Vgl. Index Gute Arbeit Report 2019 „Arbeiten am Limit“). Fast 1,7 Milliarden Überstunden, von denen mehr als die Hälfte (892 Millionen) nicht vergütet wird, bestimmen vielfach den Arbeitsalltag. So sparen sich die Arbeitgeber*innen jährlich zweistellige Milliardenbeträge an Lohnkosten. Man kann auch von Lohnraub sprechen.

Auch die voranschreitende Digitalisierung und digitale Transformation setzt die Beschäftigten unter Druck. Der technische Fortschritt wird in den Betrieben eben nicht dazu genutzt, die Arbeitstage im Sinne der Menschen zu verbessern, sondern führt häufig dazu, dass die Belastungssituation weiter verschärft wird (Vgl.: Index Gute Arbeit Report 2022 „Digitale Transformation der Arbeitswelt“).

Ein vollständiges Positions- und Debattenpapier des DGB Baden-Württemberg findet ihr hier zum Download: Meine Zeit, mein Leben – Warum Arbeitnehmer*innen  mehr selbstbestimme Arbeitszeiten brauchen.

#ÖPNVGERECHT

Für eine nachhaltige und gerechte Mobilitätswende.

Die Verbesserung und der Ausbau des ÖPNV sind für uns unabdingbar. Die Mobilitätswende muss sozial gerecht und im Sinne der Beschäftigten gestaltet werden.

#BILDUNGSGERECHT

Gleiche Bildungschancen für alle.

Gute Bildung ist die Grundlage für ein selbständiges und unabhängiges Leben, in dem wir bewusst Entscheidungen treffen können. Der Zugang zu Bildung ist außerdem die zentrale Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe. Deswegen fordern wir: Gute Bildung muss für alle zugänglich sein!

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